Die Jazz-Sängerin Nina Simone: Verzweiflung, Zärtlichkeit, Wut | BR-Klassik (2024)

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Die Jazz-Sängerin Nina SimoneVerzweiflung, Zärtlichkeit, Wut

20.02.2023 von Roland Spiegel

    Tryon, North Carolina, USA, 21. Februar 1933. Die Jazz-Sängerin Nina Simone wird geboren. Sie war unverwechselbar: eine Stimme von schier magischer, dunkel getönter Kraft. "Hohepriesterin des Soul" nannte man sie. Eigentlich wollte sie Konzertpianistin werden. Das blieb der großen afroamerikanischen Musikerin aber verwehrt – worüber sie ihr Leben lang verbittert war.

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    So klang nur sie. Dieses dunkle Timbre. Dieses Singen, das zugleich ein Raunen geheimnisvoller Beschwörungsformeln ist. Und dieses ungemein gelassene Swingen. Viele haben sie mit dem Song "My Baby Just Cares For Me" im Ohr, den sie schon 1957 aufnahm, der in ihrer Version aber 1987 ausgerechnet durch einen Werbespot für ein berühmtes französisches Parfum besonders populär wurde: Nina Simone. Eine afroamerikanische Sängerin und Pianistin, deren Leben und Schaffen viel mehr war als dieser effektvolle Hit aus einem Musical. Nina Simone, das war: Ausdruckswillen, Verzweiflung, Zärtlichkeit, Wut. Und immens bewegende Musik.

    Nina Simone: Hautfarbe habe Klavier-Karriere verhindert

    Eigentlich hieß sie Eunice Kathleen Waymon. Geboren im amerikanischen North Carolina als sechstes von acht Kindern der Familie einer Predigerin und eines Frisörs und Entertainers. Schnell zeigte sich ihre Begabung. Mit drei begann sie, Klavier zu lernen, sie spielte in der Kirche, und mit zwölf hatte sie ihren ersten Auftritt mit klassischer Klaviermusik. Ihre Eltern sollten damals einem weißen Paar Platz machen. Doch Eunice spielte erst, als ihre Eltern die Plätze wieder bekamen. Konzertpianistin wollte sie werden – und sie war Zeit ihres Lebens überzeugt: Nur die Diskriminierung aufgrund ihrer Hautfarbe habe ihre Karriere in dieser Domäne verhindert.

    "Mississippi Goddam" und Bürgerrechte

    Sie fand einen anderen Weg – den sie nach ihrem umjubelten Durchbruch 1959 in der New Yorker Town Hall musikalisch bewundernswert konsequent verfolgte: Nina Simone sang berührend wie die wenigsten Jazz, Soul und später Songs von Cohen, Dylan und anderen. Sie schrieb selbst große Protestsongs wie "Mississippi Goddam", ein Lied, in dem sie auf rassistisch motivierte Morde an afroamerikanischen Kindern reagierte, "Ain’t Got No, I Got Life" und nicht zuletzt "To Be Young, Gifted, and Black" (mit einem Text von Weldon Irvine). Sie identifizierte sich mit der Bürgerrechtsbewegung, für die sie eine herausragende künstlerische Stimme wurde – auch wenn sie bei der ersten Begegnung mit deren Kopf Martin Luther King sofort betont haben soll: "I am not non-violent".

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    Die Jazz-Sängerin Nina Simone: Verzweiflung, Zärtlichkeit, Wut | BR-Klassik (2)

    Nina Simone: Mississippi Goddam

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    Miles Davis fragte: Wie macht sie das nur?

    Die "Hohepriesterin des Soul" nannte man sie. Sie selbst verglich sich eher mit Maria Callas: "Sie war eine Diva, ich bin eine Diva". Und der Jazz-Leitwolf Miles Davis bewunderte Simone für ihre Fähigkeit, einen mehrstimmigen Kontrapunkt auf dem Klavier zu spielen – ein Stilmittel, das sie aus der Musik von Johann Sebastian Bach kannte und auch auf ihre Aufnahmen populärer Songs übertrug. "Wie macht sie das nur?", fragte Miles Davis. Ihr Klavierspiel, die Magie ihrer Stimme und die enorme Energie ihrer Interpretationen machen ihre Aufnahmen zu heute noch überragenden Interpretationen von Songs wie dem Spiritual "Sinner Man" (oder "Sinnerman"), den Simone 1965 in einer über zehn Minuten langen Version auf ständig vibrierender Spannung hielt.

    Tochter Lisa Simone, Freundin Miriam Makeba

    Ihr letztes Album brachte sie 1993 heraus, zehn Jahre vor ihrem Tod: "A Single Woman". Danach lebte sie vorwiegend zurückgezogen in Südfrankreich – nach gescheiterten Beziehungen und geplagt von schweren gesundheitlichen Problemen. Sie starb 2003 im Alter von 70 Jahren. Ihre 1962 geborene Tochter Lisa Simone ist ebenfalls Jazzsängerin und außerdem Musical-Darstellerin. Nina Simone war lange Zeit mit der südafrikanischen Musik-Ikone Miriam Makeba befreundet, die zu den 500 Gästen bei Simones Trauerfeier in der Nähe von Marseille gehörte. Nina Simones Asche wurde auf ihren eigenen Wunsch in verschiedenen afrikanischen Ländern verstreut.

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    Die Jazz-Sängerin Nina Simone: Verzweiflung, Zärtlichkeit, Wut | BR-Klassik (3)

    Nina Simone - Sinnerman

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    Was heute geschah

    Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Siehier.

    Sendung:"Allegro" am 21. Februar 2023 ab 06:05 Uhrauf BR-KLASSIK

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